Für ein Paar handgemachte Schuhe geht so mancher meilenweit. Zum Glück gibt es immer noch junge Menschen, die sich für den Umgang mit Leder und Leisten begeistern können.

Ein besonderes Faible für Schuhe hat Lena Hagmann eigentlich nicht. „Ich bin meist lieber barfuß unterwegs“, erzählt die 24-Jährige. Und doch hat sie sich vor fünf Jahren für die Lehre zur Schuhmacherin entschieden. „Ich wollte unbedingt handwerklich arbeiten, wenn ich auch noch nicht genau gewusst habe, in welcher Form“, sagt Hagmann. Beim Schnuppern in der Werkstätte von GEA in Schrems wurde dann allerdings ihre Begeisterung für das Schuhmacherhandwerk geweckt – die Entscheidung für den Lehrberuf war gefallen. „Leder ist ein unglaublich schönes Material zum Arbeiten, man hat etwas in der Hand und sieht abends, was man tagsüber gemacht hat“, schwärmt Hagmann, die 2022 ihre Lehre bei GEA abgeschlossen hat.

Nun arbeitet sie dort als Gesellin und unterstützt Lehrlinge dabei, das Handwerk zu erlernen. Und das im wahrsten Sinn des Wortes: „Eigentlich wird noch jeder Schritt von Hand gemacht. Die einzigen Maschinen, die wir verwenden, sind Schleif- und Nähmaschinen“, beschreibt Hagmann. In der Industrie allerdings arbeiten Schuhmacher auch mit halb- oder vollautomatischen Maschinen.

Blick in den Lehrplan

Dementsprechend umfassend ist die Ausbildung: „Ein großer Teil beschäftigt sich mit Materialkunde und dem Umgang mit diesem“, sagt Hagmann. So gehe es beispielsweise darum, zu erkennen, welches Leder für welche Schuhe und welcher Teil des Leders für welchen Teil der Schuhe am besten geeignet sei. Auch die Arten, wie Leder gegerbt wird, und von wo das Material herkommt, sind wichtige Teile der Ausbildung. Wobei es beim Material nicht nur um Leder geht: „Wir beschäftigen uns mit allen Materialien – vom tierischen und veganen Leder bis zum Stoff“, ergänzt Wolfgang Wedl, Landesinnungsmeister der Schuhmacher/Orthopädieschuhmacher in Niederösterreich.

Weitere Lehrinhalte sind Maßnehmen, Schnittzeichnen, Zuschneiden, Kleben, Steppen und Nähen. „Man lernt alle traditionellen Macharten“, erzählt Wedl. Dazu gehöre beispielsweise Rahmennähen oder auch die für Haferlschuhe typische Zwie- oder Doppelnaht. Das Einnähen von Reißverschlüssen, das Eindrücken von Ösen und Haken, der Umgang mit den Leisten und der Aufbau von Sohlen und Absätzen werden ebenfalls gelehrt.

Gerade Letzteres kann Lehrlingen den letzten Nerv rauben, weiß Hagmann. „Für einen Absatz werden nämlich einzelne Plättchen übereinander geklebt. Die dürfen aber keinen Millimeter verrutschen, und der Absatz darf natürlich nicht wackeln“, erklärt sie. Auf dem Lehrplan steht auch das Reparieren von Schuhen. „Leider ist das in der Wegwerfgesellschaft nur selten ein Thema.“ Dabei wäre die Reparatur von Schuhen im Sinne der Nachhaltigkeit ganz wichtig, meint Schuhmachermeister Wedl. Er bricht in diesem Zusammenhang gleich eine Lanze für Maßschuhe, deren Einstiegspreis er mit 1500 Euro beziffert. „Maßschuhe sind extrem nachhaltig. Man kann sie immer reparieren und somit ein Leben lang damit gehen“, meint er. Darüber hinaus könnte es noch einen Vorteil haben, wenn man Schuhe reparieren lässt: „Werden Schuhe vom Träger immer an der gleichen Stelle abgegangen, gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Entweder hat man bei der Reparatur schlecht gearbeitet, oder aber der Träger hat ein körperliches Defizit. In diesem Fall könnte man ihm raten, zum Orthopäden zu gehen“, sagt Wedl.

Dass der Reparaturschuhmacher beziehungsweise das „Instandsetzen von Schuhen“ mittlerweile ein freies Gewerbe sei und somit von jedem ohne Befähigungsnachweis ausgeübt werden könne, sei gerade in diesem Zusammenhang bedauerlich, sagt der Landesinnungsmeister. „Wird ein Absatz nicht korrekt repariert, kann es bei dem Träger des Schuhs zu gesundheitlichen Spätfolgen wie Knie- oder Hüftproblemen kommen.“

Qualität braucht Zeit

Rund 120 Lehrlinge werden derzeit in Österreich zum Schuhmacher ausgebildet. Für den Orthopädieschuhmacher haben sich sogar 248 Lehrlinge entschieden. Das freut Wedl natürlich. Und: „Die Zahlen sind stabil.“

Interessierte sollten auf alle Fälle handwerkliches Geschick mitbringen, auch die Bereitschaft, mit Kunden zu arbeiten, sollte vorhanden sein. „Wer Maßschuhe anbieten will, braucht darüber hinaus Kreativität und Fantasie. Denn Maßschuhträger legen Wert auf Individualität und wollen sich von anderen abheben“, rät der niederösterreichische Landesinnungsmeister. Geduld kann ebenfalls nicht schaden: „Für ein Paar Maßschuhe braucht man rund 40 Stunden“, rechnet der Fachmann vor. „Bei uns sagt man, dass ein Schuh 100.000 Schläge braucht, bis er fertig ist.“

Wedls Begeisterung für den Beruf wurde übrigens bereits im Kindesalter geweckt: „Ich habe immer einen Freund meines Großvaters besucht, der Schumacher war, und ihm geholfen. Irgendwann habe ich meinen Vater gefragt, was wir machen, wenn der nicht mehr arbeiten kann. Daraufhin hat mein Vater gesagt: ,Du hilfst ihm ja ohnehin immer. Warum wirst du nicht Schuhmacher?‘ Und das habe ich dann gemacht.“

Seine Berufswahl habe er bis heute nicht bereut, meint er, und das gilt übrigens auch für Hagmann: „Ich freue mich jeden Tag, dass ich das mache, was ich mache.“

Quelle: Die Presse

Stichwörter: schuhmacher, Lehre
Bundesländer: Niederösterreich Kategorien: GEA